Immer schon gab es Algorithmen, die unser Leben bestimmten. So zum Beispiel: Wenn du im Mittelalter als vierzehnter Sohn eines Bauern geboren wirst, dann wirst du mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Tagelöhner enden. Den kleinen Hof aufzuteilen wäre sinnlos. Außer wenn all deine Brüder sterben und die Chance dafür stehen gut, bei Krankheiten wie Pest, Typhus und Cholera, dann ziehst du dein Glückslos aus der Trommel des Schicksals. Das goldene Ticket in die Schlösser der Welt erhielt nur, wer es bei seiner Geburt löste, reich heiratete oder hochstapelte. Unsere Vorfahren standen vor den Toren eines Systems, das sie entweder eintreten lies oder aussperrte. Es gab einen Torwächter. Jemand der dir ins Gesicht sah und sagte: Hey du da, deine Nase gefällt mir! Du kommst rein oder eben nicht.
Gewalt ist keine Lösung, auch nicht in der Informatik. Unserer Algorithmen brauchen keine Torwächter. Sie erledigen die Logik selbst. Sie fixen sich selbst. Daten kommen wie von Zauberhand perfekt verpackt und aufbereitet. Nur Eingeweihte wissen, welcher Algorithmus wo und wie stark an welcher Schraube dreht. Manche von ihnen haben wir bereits vergessen. Die meisten wissen nicht einmal, dass ihr Name von al-Chwarizmi abstammt und der erste für einen Computer ausgetüftelte Algorithmus von einer Frau erdacht wurde.
Algorithmen sind nicht schlecht. Sie sind wie Bakterien. Sehr hilfreich! Es gibt gute und nicht so gute. Und es gibt viele. Sie kommunizieren, mit uns und miteinander. Sie lernen zu reden, zu flüstern und zuzuhören. Sich auszutauschen. Sie kennen keine Moral (dank uns, denn wir selbst finden moralische Fragen zunehmend überflüssig). Sind sie böse? Nein, auch wenn sie dir die wirklich guten Sachen auf Netflix immer vorenthalten. Sind sie „hilfreiche Geister“? „Geister“ stimmt, wir sehen sie nicht. Manchmal stutzen wir und wundern uns, weil der Algorithmus in der Maschine anscheinend hellsehen kann. „Hilfreich“ sind sie auf jeden Fall. Ohne Algorithmen und verschaltete System würde nichts funktionieren. Mit „nichts“ meine ich Nichts. Nullkommanull Garnichts, kein Strom, kein Wasser, kein Internet. Sie sind das Netz, das uns trägt.
Wohin wird uns es tragen? Keine Ahnung, ich schreibe Science Fiction. Ich bin kein Hellseher. Das System aus meinem Buch ist eine Entität, weil sich mein alterndes menschliches Gehirn nichts anderes ausmalen kann. (Die „systemische Legion“ aus Teil 3 arbeitet bereits aktiv daran, dies zu ändern).
Noch entscheiden wir, womit wir die Algorithmen füttern: Welche Daten? Was kaufe ich? Wo kaufe ich? Brauche ich etwas Neues? Gibt es auch Altes? Wo finde ich es. Was liebe ich? Was hasse ich? Für wen entscheide ich mich? Was wähle ich? Wenn unsere Welt vielfältig und offen bleibt, bleiben es die Algorithmen auch. Wenn wir überraschend handeln, werden sich anstrengen und uns überraschen. Sie sind tolle Erfinder. Ich selbst habe nur einen lahmen Taschenrechner im Kopf. Manchmal denke ich, er wird mehr und mehr zu einem Rechenschieber. So langsam rechnet er.
Handy hat mehr Rechenleistung als ich. Ohne Computer bin ich Nichts. Ohne Navi fahre ich selten los. Aber manchmal doch. Mache es aus, fahre irgendwo hin. Einfach irgendwo hin. Meist ist es dort schön.
Fährst du manchmal ins Blaue?
Du weißt nicht, wie man das macht? Mathematisch gesehen so: Der Überraschungswert ist abhängig vom Kehrwert der Eintreffenswahrscheinlichkeit. Also bieg einfach mal falsch ab und sieh, was du dort findest. Die Algorithmen werden es dir danken.