Der Unterricht – Leseprobe

S. 214 – 222

Der Modellingkurs fand im Bildungssaal inmitten ihres Wohnkomplexes statt. Die anderen Schüler waren bereits anwesend. Offensichtlich kam sie zu spät. Konzentriert starrten ihre rund dreißig Mitschüler jeweils von oben in einen etwa einen Quadratmeter großen Kasten.

»Tschuldigung, hab den Raum nicht gefunden«, murmelte Anka und ließ sich auf einen freien Sitzplatz fallen.

Einen Lehrer gab es scheinbar nicht.

»Ank-Ane Um Ann, Ank-Ane Um Ann, Ank-Ane Um Ann?«, krähte eine Stimme über ihr.

Anka blickte nach oben. Richtig, das war ihr neuer Name.

An der Decke flatterte ein weißer Vogel mit goldener Frisur. Offensichtlich ein Roboter, denn die Federn waren aus Plastik. Er fuhr an einer Seilschiene und hatte somit einen guten Blick von oben.

»Okay, starte dein Spiel und fang an«, krächzte der Kakadu.

Anka sah sich den Kasten vor ihr genauer an. Innen schwappte eine zähe graue Flüssigkeit.

»Schütte die Urzeitkrebse hinein und füttere sie«, befahl der Vogel.

Anka sah, dass vorne ein Knopf angebracht war, auf dem ein roter Krebs leuchtete. Sie drückte drauf und aus einer Schublade fiel ein roter Beutel. Anka schüttelte ihn, nichts. Sie kippte den nach Müsli aussehenden Inhalt ins Wasser.

»Du musst die Brutlampe einschalten«, flüsterte einer ihrer Mitschüler. Es war Len-Art, dessen rote Stachelhaare hinter einem der Kästen hervorstachen.

»Nicht helfen«, krähte der Kakadu über ihnen. »Ich sehe alles. Ich höre alles.«

Anka klickte auf das Lampensymbol und warmes rosiges Licht breitete sich über das gallertartige Meer, in dem die Urzeitkrebse sich entfalteten.

»Okay, füttern«, dachte Anka. Auf der linken Seite befanden sich drei Knöpfe Ressourcen: Muscheln, Seegras, Holzstäbchen. Auf der rechten Seite waren ebenfalls drei Knöpfe Nahrung: Algen, Stinte, Mückenlarven. Scheinbar war der Kasten eine Art Aufzuchtbecken.

Da Anka nicht wusste, was die Krebse brauchten, klickte sie dreimal und warf jeweils eine Portion der gemahlenen Algen, Fische und Larven zu den Urzeitkrebsen. Innerhalb weniger Minuten schwammen die ersten Krebse herum und schnappten begierig nach Futter.

»Sehr gut«, lobte ihr fliegender Lehrer. »Jetzt benötigen sie Rohstoffe, damit sie ihre Häuser bauen können. Du musst ihnen so viel geben, dass sie wachsen. Wenn du zehntausend Krebse besitzt, hast du bestanden.« Unten in einer der Ecken leuchteten Zahlen. »Du hast jetzt zehn Krebse«, krächzte der Kakadu. »Fang an zu züchten.«

Anka warf ein paar Steine und Stöcke in das Becken. Fasziniert beobachtete sie, wie ihre Krebse aus den Stöckchen und Steinchen ihre ersten Häuschen zusammenbauten. Sie nagten mit ihren Mundwerkzeugen passende Fugenrillen und kauten mit ihren Kiefern die Muscheln zu Zement. Durch ihre Telebrille konnte Anka die Kaubewegungen der einzelnen Krebse genau sehen. In der nächsten Stunde warf Anka wahllos Futter, Holzstöckchen, Muscheln und Steine in das Aquarium. Die Krebse vermehrten sich. Aus den kleinen Häuschen war eine Ministadt gewachsen. In den Bauwerken, die aussahen wie Termitenhügel mit Fenstern, tummelten sich bereits über 1.000 Krebse. Plötzlich gab es einen Tsunami und der fegte die Bauwerke ihrer wachsenden Krebsgemeinde beiseite. Ankas Urzeitkrebs-Stadt stürzte ein und begrub ihre Bewohner unter sich. Die Anzeige am Kasten ratterte nach unten: 900, 800, 700. Anka warf panisch Futter in den Kasten. 600, 500, 400, 300, 200, 150, 100. Dann stoppte das Sterben. Mit hundert Krebsen begann Anka aufs Neue. Als sie bei 5.000 war, wurden die Krebse krank. Scheinbar hatte sie zu viel Futter ins Wasser geworfen. Die Algen hatten sich stark vermehrt und das Wasser schimmerte grün. Auch ihre Krebse färbten sich grün statt rot. Dann starben sie. Am Ende der zweiten Stunde hatte Anka nur noch zehn. In der dritten Stunde ging sie planvoller zu Werk. Sie hatte herausgefunden, dass man die Mengen erhöhen konnte. Also überlegte sie, sie hatte zehn Krebse, das bedeutete zehnmal Nahrung und zehnmal Ressourcen. Nur damit würden sie nicht wachsen. Sie erhöhte die Nahrung um den Faktor 1,5, sie wollte ihre Krebse nicht wieder überfüttern, und die Baustoffe um den Faktor drei. Dabei blieb sie. Nach einer Stunde wuselten 7.000 Krebse im Becken, dann kam wieder der Tsunami. Anka begann das Programm zu verstehen.

Zum Ende der dritten Stunden kreischte der Kakadu: »Stopp. Die Zeit ist abgelaufen. Keiner hat die erforderliche Zahl erreicht. Dann bis morgen.«

»Bis morgen?«, fragte Anka bestürzt.

»So lange bis du den Kurs bestehst«, krächzte der Vogel und flog in eine Klappe an der Wand.

Kei begleitete sie zum Mittagessen in die Gemeinschaftskantine. »Es gibt Neuigkeiten, aber die erzähle ich später. Wie war es?«

Anka löffelte einen Fischstäbcheneintopf. »Doof, meine Krebse sind immer gestorben.«

»Ja, der Modellingkurs, ich erinnere mich. Wie stellt sich Len-Art an?« Kei kaute versonnen an seinem Hühnchenbein aus Fleischimitat, das der Versorgungsautomat in der Kantine für ihn ausgespuckt hatte. Der Name der Firma Soylent stand eingebrannt in der krossen Haut.

»Er hat es auch nicht geschafft.« In Ankas milchigem Fischeintopf schwammen Brötchenstücke. Erstaunlicherweise schmeckte er nicht schlecht. Viel besser als die Eintöpfe in der Mensa ihrer früheren Universität. »Mir gefällt der Unterricht nicht«, klagte sie.

Kei grinste. »Wenn dir dieser Kurs schon nicht gefällt, dann warte mal den Erste-Hilfe-Kurs ab. Der ist heute Nachmittag, und heute Abend waschen wir Wäsche.« Seine Augen glänzten, scheinbar hatte er gute Nachrichten.

 

Der Erste-Hilfe-Kurs fand im ersten Kellergeschoss statt. Kei führte Anka durch einen Gang. Dahinter lag ein Käfig, so groß wie ein mehrstöckiges Haus. Im Käfig verteilten sich Trümmerstücke, Geröllhaufen und halb eingestürzte Wände mit Klettergriffen. Tiefere Ebenen erreichte man durch enge Tunnel, Rutschen oder Eisenrohre. Es ähnelte dem Indoor-Spielplatz, in dem Anka früher ihre Kindergeburtstage gefeiert hatte.

»Was ist das hier?«, fragte sie Kei.

»Die Erste-Hilfe-Simulation. Ihr geht da rein«, Kei wies auf Anka und ihre Mitschüler, insgesamt waren sie zehn, die vor dem Eingang warteten. »Dann macht ihr, was das Programm euch sagt. Bin gespannt, welches Szenario du bekommst.«

Anka lüftete eine Augenbraue. »Beim Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein habe ich auf die Beatmungspuppe gekotzt, weil ich die Nacht vorher durchgefeiert hatte.«

»Oh, hier wirst du auch kotzen, das ist sicher, ganz ohne Alkohol«, Kei grinste wissend. »Halt einfach durch, okay?« Er lächelte ihr aufmunternd zu.

Anka nickte. Ihr blieb auch keine andere Wahl. Kei hatte ihr erklärt, dass das System bei Kurspflicht sehr unnachgiebig war. Zur Not ließ es sie per Drohne zum Unterricht eskortieren. Also ging sie lieber freiwillig.

 

Pünktlich zu Unterrichtsbeginn öffnete sich die Gittertür.

»Bitte schalten Sie die Telebrillen ein und installieren Sie Programm FABeta7«, donnerte eine blecherne Stimme aus den Lautsprechern.

Anka fummelte in dem Menü ihrer Brille herum, dann schaffte sie es, das Programm zu starten. Es wurde nebelig. Zwar erkannte sie an den Brillenrändern noch die Gitterstäbe des Käfigs, doch als sich der Nebel verzog, stand sie mitten auf einer Straße. Autos aus ihrer Zeit parkten vor grauen Wohnhäusern. Hinter einem weißen Lieferwagen versteckte sich eine Gruppe Leute in weißen Uniformen. Daneben warteten weiße Robots auf drei Rollen, die eine Art Schubkarre vor dem Bauch hielten. Alle trugen einen weißen Helm. Unter einem Helm lugten rote Haarspitzen hervor. Anka sah an sich herunter, sie war ebenfalls in eine weiße Uniform gekleidet.

Sie stellte sich neben Len-Art und sagte freundlich Hallo.

Len-Art nickte zurück. Er hatte die Zähne vor Anspannung zusammengebissen.

»Okay, Sanitäter«, schnarrte eine militärische Stimme über ihnen. Es war ihr Lehrer, wieder ein Vogel, dieses Mal ein eiserner Adler mit weißem Helm. »Eure Aufgabe ist es, Zivilisten zu retten, aber achtet auf die Anzeige. Einen Schwerstverwundeten zu retten, der beim Transport stirbt und dafür einen Schwerverwundeten zu verlieren, der überlebt hätte, ist nicht zielführend. Die Aufgabe lautet, das Leben schätzen lernen. Wie viele Leben also könnt ihr retten? Achtung, es geht los. Sie kommen.«

Augenblicklich verdunkelte sich der Himmel. Ein schwarzer riesiger Klumpen schob sich über den Horizont. Weitere folgten. Es waren Ufos und sie griffen an. Anders als in Science-Fiction-Filmen waren es keine glänzenden makellosen Scheiben mit zischenden Laserwaffen. Die Außerirdischen flogen in Raumschiffen, die verdächtig nach einer haarigen Warze aussahen. Und sie spuckten Schleim. Überall wo der farblose Glibber niederging, verdampften die Häuser. Ein Schleimbatzen traf ein Auto vor ihnen, es zerfloss wie Butter auf der Herdplatte. So plötzlich wie er begonnen hatte, war der Angriff auch schon vorbei. Die Warzen verzogen sich. Vor ihnen lag eine Trümmerlandschaft. Die Häuser waren geschmolzen und sahen aus wie abgebrannte Kerzen. Überall zischte und dampfte es. Der beißende Rauch brannte Anka in den Augen und in der Kehle. Sie musste husten.

»Das ist Adrenalingas«, flüsterte Len-Art neben ihr. »Wenn du eine Nase nimmst, wirst du schneller, du siehst wie ein Adler. Wenn du zu viel einatmest, kriegst du Muskelkrämpfe. Also gut dosieren.«

Menschen schrien um ihr Leben.

»Sanitäter, auf mein Kommando auf drei«, schnarrte der Adler.

»Bei drei laufen wir los?«, fragte Len-Art verwirrt.

»Nein«, kreischte der Adler genervt. »Wie beim letzten Mal, ich zähle, eins, zwei, drei und dann los. – Eins, zwei, drei!«

Anka rannte los. Von dem Gas wollte sie lieber nichts einatmen. Überall auf den Trümmern lagen Verwundete. In den Häusern und Autos kreischten Menschen, die bei lebendigem Leib schmolzen. Ein Mann vor ihnen krabbelte aus dem Metallmatsch, der mal sein Auto war. Er hatte keine Beine mehr, sondern zog eine undefinierbare zähe Masse hinter sich her. Anka musste sich übergeben. Nachdem sie sich erleichtert hatte, packte sie das schlechte Gewissen und sie eilte zu Hilfe. Ihre Aufgabe war es, dem Verwundeten zuerst ein Schmerzmittel zu spritzen. Danach mit einer Steroidmaske den Kreislauf zu stabilisieren und sie auf die Roboträger zu ziehen. Anka versorgte den halbgeschmolzenen Mann. Als sie ihn auf ihren Roboträger wuchtete, war er bereits bis zur Brust zerlaufen. Er hustete noch einmal etwas Schleim und brannte sich dabei die Nase und den Mund weg. Dann war er tot.

Okay, nächstes Mal vorher nachdenken. Anka bemerkte ganz am Rand, wo die virtuelle Realität zu Ende war, eine kleine Anzeige.

Sie sah sich um. Im nächsten Trümmerhaufen bettelten einige Menschen um Hilfe. Ein kleines Kind, nur leicht am Arm verletzt. Ein alter Mann mit Kopfverletzung, der schied aus, eine Frau, ihr Fuß war unter einem schmelzenden Stein. Also das Kind.

Moment, Ankas Blick ging zurück, die Anzeige sagte schwanger, sogar mit Zwillingen, also doch die Frau.

Anka rannte zu ihr und griff mit ihren Schutzhandschuhen nach dem Mauerstein. Es war zu schwer. Sie schaffte es nicht.

›Zurück zum Kind?‹, überlegte Anka.

Plötzlich sah sie Len-Art, der wie von Sinnen zwei Zivilisten hinter sich her schleifte.

Also gut, was soll es. Anka nahm einen tiefen Atemzug von dem kratzigen Rauch. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper, sie spannte die Muskeln an und zog den Stein beiseite. Das Bein der Schwangeren war bis zum Knie geschmolzen. Anka legt einen Verband darauf und stoppte es. Dann kamen Schmerzmittel und Atemmaske. Sie zog die Frau auf ihren Robodoc und der sauste auf Rollen davon.

Das Kind war mittlerweile verstorben, weil ein Schleimtropfen auf seinem Blondschopf niedergegangen war. Statt einem Kopf hatte es einen dampfenden Marshmallow.

Anka wandte sich ab. »Was für ein Scheißkurs«, fluchte sie.

Sie nahm den nächsten Hauseingang, aus dem Schreie drangen. Dort erwartete sie eine halbe Familie, offensichtlich hatten sie gerade gefeiert. Auf den Tischtrümmern lag eine zermatschte Geburtstagstorte mit geschmolzenen bunten Kerzen. Der Rest der Familie sah dem farbigen Matsch nicht unähnlich. Sie hatten direkt an der sich auflösenden Wand gesessen. Ein Girlandenfetzen hing noch über ihnen: »Happy«. Anka gelang es, zumindest dem Rest der Familie zu helfen. Damit hatte sie acht Zivilisten gerettet. Sie schaffte es noch, einen weiteren Mann aus den Trümmern zu ziehen. In den Händen hielt er den Arm eines Kindes. Er wollte nicht loslassen, obwohl seine Finger anfingen zu dampfen. »Wo ist mein Sohn?«, schrie er.

Anka riss ihm den Arm seines Sohnes weg.

»Ich bin schon abgestumpft«, dachte sie. »Ich denke nur noch daran, ihn so schnell wie möglich zu versorgen, damit ich zum Nächsten kann.«

Aber einen Nächsten gab es nicht mehr. Eine Sirene ertönte und die Stunde war vorbei. Dankbar setzte Anka ihre Telebrille ab.

Auch im echten Klassenraum gab es einen Metalladler. Er thronte auf einer Stange und blickte sie streng an. »Und hier, Sanitäter, kommen eure Ergebnisse«, schnarrte er. »Erster Platz, Kik-Oma, 50 geborgene Zivilisten. Exzellente Idee mit dem Schulbus«, der Adler wackelte anerkennend mit den Schwingen. »Appllaaaus. Zweiter Platz Oba-Win mit 45 Zivilisten aus dem Einkaufszentrum, das ist sehr gut. Applllauus«, erneut flatterten seine Flügel. Der dritte Platz ging an einen Hul-Ker, der ebenfalls in dem Einkaufszentrum war. Diese drei hatten bestanden. Alle anderen mussten zur Wiederholung.

Der Adler las mit herablassender Stimme die Plätze vier bis neun vor. Anka machte den siebten Platz. Sie hatte neun Personen gerettet. Nach ihr kam Len-Art.

»Leider wieder nichts, Len-Art«, schnarrte der Adler. »Du hast zwar die meisten Zivilisten geborgen, 60 Personen, leider sind fast alle beim Transport verstorben, nur acht Überlebende.«

Letzter wurde ein alter Mann, der von dem Adler mit Applaus begrüßt wurde. »Unser neunundneunzig Jahre alter Pionier Loo-Khi. Er frischt jedes Jahr seine Erste-Hilfe-Kenntnisse auf.«

Der greise Pionier trug auch in echt eine reinweiße Uniform. Er verbeugte sich steif. »Es war mir eine Ehre, dem System zu dienen. Nächsten Monat werde ich hundert Jahre. Das war mein letzter Einsatz.«

Eine himmelblaue Plastikplane rollte sich über der Wand aus. Sie zeigte eine weiße Linie, die ein Quadrat bildete. Die Ecken waren verschlungene Knoten. Anka kannte das Symbol. Es bedeutete geschlossenes System. Darin stand ein Strichmännchen. Der Kopf war ein leerer Kreis. Es erinnerte Anka an eine moderne Jesusfigur, nur ohne Kreuz. Es handelte sich augenscheinlich um die Flagge der Fundation.

Der Adler forderte sie auf, sich zu erheben und die Rationale zu Ehren des Pioniers zu singen. Da Anka den Text nicht kannte, bewegte sie nur den Mund. Es war wie früher im Religionsunterricht.

 

»Bleib stark, Bewohner dieser Erde,

der stets zum Besseren sich zwingt!

Das Recht wie Glut im Kraterherde

Nun mit Verstand zum Durchbruch dringt.

Als Rationale bilden wir das System!

Heer der Menschen, schließt euch an!

Es rettet uns kein höheres Wesen,

kein Gott, kein Kaiser noch Präsident.

Uns aus dem Elend zu erlösen,

Gelingt nur im rationalen System.

Stets besser zu werden als Teil der Fundation!«

 

Der Refrain kam Anka bekannt vor, nur der Text war verstörend anders.

 

»Menschen, hört die Signale!

Folgt dem Ruf des Systems!

Die Rationaaaale

Bewahrt das Menschengeschlecht.«

 

Nach dem Ständchen bekam der Opa ein grünes Band umgehängt und danach durfte Anka endlich gehen.

Kei holte sie ab. »Willst du erst essen oder reichen dir Sandwiches?«, er deutete nach unten.

»Los, ich muss schmutzige Wäsche waschen«, herrschte Anka ihn an. Sie zog Kei in Richtung Lift.

»Was für einen Angriff gab es?«, fragte Kei.

»Alienwarzen.« Anka betrachtete missmutig das Farbspiel des Aufzugs.

»Oh«, sagte Kei, »die kenn ich noch nicht. War es gut?«

»Nein, war es nicht«, sagte Anka finster. Es ruckelte leicht.

»Okay, die Stabilisatoren sind an. Wir können reden«, sagte Kei.

»Nicht noch einen Tag gehe ich in diesen Kackkurs«, schimpfte Anka. »Was soll ich dabei eigentlich lernen?«

»Gute Frage«, Kei zuckte mit den Schultern. »Frag nicht mich, frag das System. Es hat sich den Lehrplan ausgedacht.«

»Sind alle Lehrer Vögel?«, wollte Anka wissen.

»Die meisten, das hat sich, wie sagt man so schön, irgendwie eingebürgert.«

Anka rollte mit den Augen. »Egal, wie komme ich aus diesen Kursen raus?«

»Ganz einfach«, sagte Kei hinterlistig, »du musst sie bestehen.«

»Ich schaffe es niemals, fünfzig Zivilisten zu verarzten, auch wenn ich mich mit Adrenalin vollpumpe«, beschwerte sich Anka.

Kei sah sie grinsend an. »Natürlich nicht, die Idioten trainieren schon seit einem Jahr. Man lernt die Parcours in den Gärten. So weißt du genau, wo die Booster versteckt und die meisten Leichtverletzten zu finden sind.«

»Also muss ich den Kurs jetzt jeden Tag machen?«, stöhnte Anka. »Für wie lange?«

Kei grinste fies. »Dreimal darfst du raten.«

Anka ächzte.

Kei lachte. »Halb so schlimm. Du hast es immer noch nicht verstanden, hmm? Wenn das System deine Hand will, reich ihm den kleinen Finger.«